Protest gegen „Event für Tierrechte“ in Köln
https://linksunten.indymedia.org/de/node/45808
„Hauptsache für die Tiere!“ – Nicht mit uns!
von TierbefreiungsaktivistInnen aus NRW
Am 14. Mai wurde in Köln ein „Event für Tierrechte“ unter anderem wegen der tierschützerischen Ausrichtung und der positiven Haltung teilnehmender Gruppen und Redner gegenüber dem Universellen Leben von TierbefreiungsaktivistInnen kritisch begleitet. Als Helmut F. Kaplan – ein Philosoph aus Österreich, der sich als Pionier der Tierrechtsbewegung ansieht – die Bühne betrat, wurde diese kurzzeitig von AktivistInnen übernommen. Nach Ansicht der AktivistInnen hätte spätestens ein Interview, welches Kaplan einem Nazi gab – und bis heute gutheißt – Grund genug sein müssen, ihm keine Bühne zur Verfügung zu stellen.
Am Samstag, den 14. Mai 2011, fand in Köln unter dem Motto „Deine Stimme den Stimmlosen“ ein „Event für Tierrechte“ statt. Im Rahmen dieses von dem Verein Tier-Time e.V. organisierten Events präsentierten sich u.a. zahlreiche Tierschutzvereine, Parteien, der Vegetarierbund, Gruppen, die sich dem Tierrechts-/Tierbefreiungsspektrum zuordnen, vegane Gruppen und Unternehmen den PassantInnen und dem eigenen Kreis der eingeladenen „Tierfreunde, Tierschützer und Tierrechtler“. Auf einer Bühne gab es verschiedene Reden, Musikbeiträge und Showacts, zwischendurch fand ein kurzer sogenannter „Soli-Marsch für Tierrechte“ statt.
Ungefähr eine Stunde vor dem „Soli-Marsch“ fingen einige TierbefreiungsaktivistInnen – die nicht in einer gemeinsamen Gruppe organisiert sind – damit an, Flyer an die TeilnehmerInnen des Events zu verteilen. Im Vorfeld der Veranstaltung hatten verschiedene AktivistInnen aus NRW überlegt, das „Deine Stimme den Stimmlosen“-Event aufgrund mehrerer Kritikpunkte nicht stillschweigend hinzunehmen [wenn im Folgenden die Rede von (Tierbefreiungs)AktivistInnen ist, wird sich auf die KritikerInnen des Events bezogen, damit soll den Event-TeilnehmerInnen jedoch nicht abgesprochen werden, auch AktivistInnen zu sein!]. Als Ergebnis dieser gemeinsamen Überlegungen wurde ein Flyer erstellt, der, auch wenn eine Gruppe als Kontakt benannt wurde, nicht als Einzelmeinung dieser Gruppe zu verstehen ist. Auf diesem Flyer wurde kurz erläutert, weshalb sich die AktivistInnen nicht an dem Event beteiligen und warum es „richtig gewesen wäre, dieser Veranstaltung fernzubleiben“. Auf dem Flyer wurden im Wesentlichen drei Kritikpunkte bzgl. des Events geäußert:
- Es handelte sich um keine Veranstaltung, bei der sich gegen jede Gewalt an Tieren ausgesprochen wurde.
- Es wurde sich lediglich oberflächlich von „Sekten“ distanziert.
- Die Einladung von Helmut F. Kaplan
Zu 1: Trotz der Bezeichnung als „Event für Tierrechte“ handelte es sich um keine Veranstaltung, bei der unmissverständlich gegen jede Form der Tiernutzung/-ausbeutung Stellung bezogen wurde.
An dem Event beteiligten sich mit Infoständen zahlreiche Vereine, Gruppen und Parteien, die die Ausbeutung von und den Mord an Tieren nicht grundsätzlich ablehnen, sondern diese entweder nur regulieren wollen oder aber – trotz des Fernziels der Abschaffung jeder Tiernutzung – sich dafür einsetzen, dass Tiere auf eine „nettere“ Art und Weise ausgebeutet bzw. umgebracht werden. So wurden z.B. am Stand der Tierschutzpartei Unterschriften für das „generelle Verbot des betäubungslosen Schächtens und des tierquälerischen Schlachtens im Akkord!“ gesammelt. Diese Formen des Schlachtens werden von der Tierschutzpartei als besonders grausam angesehen.
Die Kritik der AktivistInnen richtete sich also gegen die Vermischung einer Tierbefreiungsposition (oder auch einer Tierrechtsposition) mit einer Tierschutzposition. Dadurch verliert die Tierbefreiungsbewegung an Profil, und es wird nicht mehr die Nutzung der Tiere an und für sich thematisiert – was notwendig wäre -, sondern viel mehr nur die Art wie sie behandelt werden. Statt eine Position zu beziehen, die sich gegen jede Form der Tiernutzung ausspricht – also eine abolitionistische – wird so suggeriert, dass Tierschutz und Tierbefreiung im Grunde genommen dasselbe seien. Sich vom Tierschutz abzugrenzen, würde unter anderem bedeuten, Tierschutzvereinen bei Veranstaltungen, die von einer Tierrechts-/Tierbefreiungsgruppe organisiert werden, keine Möglichkeit zu geben, sich mit einem Infostand zu präsentieren oder Reden zu halten. Dies bedeutet selbstverständlich nicht, keine TierschützerInnen mit den eigenen Inhalten erreichen zu wollen, wofür z.B. eine Veranstaltung mit vielen RednerInnen durchaus eine gute Gelegenheit sein könnte.
Zu 2: Der Verein Tier-Time e.V. verkündet zwar, dass „Sekten […] bei unseren Kundgebungen und Demonstrationen nicht erwünscht“ sind, jedoch beruht dieses Statement sicherlich nicht auf einer emanzipatorischen Haltung, sondern erweist sich vielmehr – angesichts der Kritik, die es innerhalb der Tierrechts-/Tierbefreiungsbewegung z.B. am Universellen Leben (UL) gibt – als bloßes Lippenbekenntnis.
Unter den mit Infoständen angekündigten Gruppen fanden sich zahlreiche, die mit der Initiative zur Abschaffung der Jagd – die aus dem UL-Umfeld stammt – zusammenarbeiten.
So z.B. der Verein Natur ohne Jagd e.V., bei dem [bis vor kurzem, d.h. auch noch zum Zeitpunkt des Events in Köln] als Ansprechpartner der Sektion-Stuttgart Kurt Eicher von der Initiative zur Abschaffung der Jagd genannt wurde und bei dem laut Vereinssatzung z.B. im Fall einer Auflösung das Vereins-Vermögen an Heimat für Tiere e.V. – einen Gnadenhof, der dem UL zugeordnet wird – gehen sollte [mittlerweile ist die Satzung diesbezüglich geändert worden und auch Kurt Eicher wird nicht mehr als Kontaktperson genannt]. Der Verein Schützer der Erde e.V. wird mitunter direkt dem UL zugeordnet. Inwiefern diese Einschätzung zutrifft – ein Vereinsgründer/Mitglied des Vorstands fühlt sich dem UL verbunden – sei mal dahingestellt, und sie ist auch insofern nicht bedeutsam, da auch ansonsten genügend UL-SympathisantInnen in Köln anwesend waren.
Zwei Hauptverantwortliche des Vereins Schüler für Tiere e.V. – dieser Verein war beim „Event für Tierrechte“ in Köln der Kooperationspartner von Tier-Time e.V. – haben sich an der Allianz für Tierrechte beteiligt, die besonders darum bemüht war, die Zusammenarbeit mit dem UL, insbesondere der Initiative zur Abschaffung der Jagd, voranzutreiben. Unter den RednerInnen in Köln befanden sich drei, die auch schon Reden bei Demonstrationen aus dem UL-Umfeld geschwungen haben. Zwei von diesen haben zudem Texte veröffentlicht, in denen sie sich – ohne sich inhaltlich tiefergehend mit der Kritik am UL zu beschäftigen – für eine Zusammenarbeit mit dem UL aussprechen.
Bei der Kritik am UL geht es selbstverständlich nicht darum, dass es sich dabei um eine Sekte – eine von herrschenden Überzeugungen, Glaubensbekenntnissen etc. abweichende Gruppe – handelt, sondern darum, welche Inhalte sie vertritt. Es handelt sich um eine autoritär strukturierte religiös-esoterische Glaubensgemeinschaft. Ihr Anliegen ist kein emanzipatorisches, sondern eines, was im Rahmen der Bestrebung des UL, ein „urchristliches Friedensreich“, einen „Christusstaat“, zu errichten, anzusiedeln ist. So ist der Glaube an Karma und Reinkarnation, wonach jedes Ausbeutungsverhältnis auf eine in einem früheren Leben erworbene persönliche Schuld zurückgeführt werden kann, ein Bestandteil der Lehre des UL. So werden letztendlich also nicht Herrschaftsverhältnisse thematisiert oder angegangen, sondern es geht vielmehr darum, sich u.a. mit dem „Einsatz für Tiere“ von dem angeblichen Karma zu befreien, die sogenannte Seelenschuld abzutragen und somit Eintritt in das sogenannte Friedensreich gewährt zu bekommen. Nichtmenschliche Tiere werden also für diesen Zweck als Projektionsfläche benutzt. Es ist nichts Emanzipatorisches daran, den Offenbarungen einer als Sprachrohr Gottes fungierenden Prophetin zu huldigen und z.B. einer „‚Umprogrammierung'“, die „nichts anderes als die Reinigung der Gehirnzellen von allen Prägungen dieser Welt, von allen Vorstellungen und Meinungen, die dem göttlichen Wort entgegenstehen“ ist (so heißt es in einer UL-Schrift), unterzogen zu werden.
Nicht angekündigt, aber vor Ort mit einem Stand anwesend, waren auch SympathisantInnen der Sekte Internationale Vereinigung der Höchsten Meisterin Ching Hai um „Supreme Master“ Ching Hai – die u.a. für deren Projekt SOS Klimawandel Werbung machten -, eine Organisation, die sicherlich auch nicht als emanzipatorisch bezeichnet werden kann. Dass Tier-Time sich offensichtlich der Ching-Hai-Sekte in ihrem gemeinsamen Anliegen „für die Tiere“ verbunden fühlt, zeigte sich bereits, als die Vereinsvorsitzende von Tier-Time bei einem Forum zur Präsentation eines der Bücher der „Großen/Höchsten Meisterin“ auf der Frankfurter Buchmesse 2010 als Gastrednerin anwesend war.
Zu 3: Helmut F. Kaplan ist ein Philosoph aus Österreich, der zahlreiche Bücher rund um die Themen Vegetarismus und Tierrechte veröffentlicht hat und von manch einer/einem als „Pionier der Tierrechtsbewegung“ im deutschsprachigen Raum angesehen wird. Während die Bewegung sich in Deutschland Anfang der 1990er Jahre entwickelte und sich für den Veganismus aussprach, plädiert Kaplan – der noch viele Jahre lang selbst nicht vegan lebte – bis heute dafür, nur für den Vegetarismus (und wie eine nähere Beschäftigung mit Kaplans Texten zeigt, auch dies nicht konsequent) zu werben. Ein offensives Eintreten für den Veganismus hält er hingegen für schädlich. Dies ist nicht die einzige Kritik die es aus der Tierrechts-/Tierbefreiungsbewegung an den Ansichten Kaplans gibt.
Kaplan ist ein Fan der seines Erachtens „exzellenten Aufklärungsarbeit“ des UL und fordert die Ausgrenzung derjenigen, die das UL nicht als Bündnispartner der Bewegung akzeptieren. Zudem ist er im deutschsprachigen Raum sicherlich einer der offensivsten Vertreter des sogenannten Tier-KZ bzw. Holocaust-Vergleichs, einer Analogie (oder gar Gleichsetzung), für die es keine historisch fundierte Begründung gibt. Die kann (selbstverständlich) auch Kaplan nicht liefern, es geht ihm auch weder darum, das Wesen der Shoah noch das der Tierausbeutung/Schlachtung zu erfassen. Tatsächlich instrumentalisiert er den Holocaust, wie es sich z.B. deutlich an einer Aussage zeigt, die er in einem Interview äußert, welches besonders umstritten ist.
Vermutlich Anfang 2010/Ende 2009 gab er dem Trierer NPD-Mitglied Martin Auler für das „Querfront“-Magazin Fahnenträger (Ausgabe 18 Winter 2009) ein Interview – welches später auch in dem tiefbraunen Öko-Magazin Umwelt & Aktiv erschien. Obwohl er dafür kritisiert wurde und darauf aufmerksam gemacht wurde, wem er dort ein Interview gegeben hat, verteidigt er dieses vehement und verlinkt z.B. auf seiner Website weiterhin auf die Homepage der „Querfront“-Nazis. Dass es Nazis gefällt, wenn Kaplan in dem Interview schwafelt, dass der „Holocaust-Vergleich […] mit jedem Tag wichtiger wird“ will ihm gar nicht in den Sinn. Er hat mit seinem Nazi-Interview bzw. vor allem damit, dass er dieses im Nachhinein auch noch als etwas Gutes verkauft, anstatt sein Verhalten kritisch zu reflektieren, allen deutlich gezeigt, wie ernst er es mit einer Auseinandersetzung mit den Verbrechen der Nazis und ihrer Ideologie meint. Dass Kaplan einem Nazi ein Interview gab, ist kein Geheimnis, was kaum jemand aus der Tierrechtsbewegung wusste, auch bei Tier-Time war dies vor dem Event in Köln bekannt. So wurde die Veranstaltungsleiterin im Vorfeld des Events – (auch) aus dem Kreis der TierbefreiungsaktivistInnen, die Flyer verteilen wollten – (durchaus diskussionsbereit) darauf angesprochen, weshalb Kaplan (aber auch mit dem UL sympathisierende Gruppen, Tierschutzgruppen, PeTA, Parteien) nicht zu einer Tierrechtsveranstaltung eingeladen werden sollte(n).
Kaplan zu kritisieren und zu fordern, dass ihm bei Veranstaltungen aus der Tierrechts-/Tierbefreiungsbewegung keine Bühne gegeben wird – wofür spätestens dieses Interview Grund genug sein sollte -, heißt selbstverständlich nicht, dass er selbst zu einem Nazi erklärt werden soll. Aber dass solche Aussagen wie Kaplan sie trifft, Nazis die Tür zur Bewegung nicht zuschlagen, sollte jedem/jeder klar sein. Tatsächlich ist Kaplan bereit, mit allen – außer denjenigen, die ihn kritisieren – zusammenzuarbeiten, solange es „um die Tiere“ geht. Kaplan ist ein wahrer Pionier einer „Hauptsache für die Tiere“-Haltung.
Eine Gruppe, die RednerInnen und Gruppen zu einer Veranstaltung einlädt, sollte schauen, wen sie einlädt und gegebenenfalls kritisch nachfragen, bevor sie jemanden einlädt. Für Tier-Time – die, wie es nicht zu übersehen ist, selbst eine „Hauptsache für die Tiere“-Haltung vertreten – scheint dies jedoch unbedeutsam zu sein.
Bereits bevor mit dem Verteilen von Flyern angefangen wurde, wurden einige der kritischen TierbefreiungsaktivistInnen von der Veranstaltungsleiterin (der 1. Vorsitzenden von Tier-Time) als diejenigen erkannt, die hier (sinngemäß) eine „Gegendemo“ machen wollten. Nachdem ihr kurz einige der Kritikpunkte genannt worden waren, u.a. die Kritik an der Einladung Kaplans, wurde keinesfalls versucht, auf die Argumente einzugehen. Beim Flyerverteilen fiel einigen AktivistInnen auf, dass SchülerInnen vom Verein Schüler für Tiere e.V. eingeredet worden war, dass sie Angst vor den Flyerverteilenden haben müssten und z.T. wurde den KritikerInnen – allein aufgrund des Verteilens von Flyern – von Event-Verantwortlichen mit Platzverweisen gedroht. Erfreulicherweise beteiligten sich längst nicht so viele Menschen an dem „Deine Stimme den Stimmlosen“-Event wie Tier-Time es erhofft hatte, so sind sicherlich einige Leute nicht gekommen, weil sie einige oder alle der genannten Kritikpunkte teilten. An dem kurzen Soli-Marsch – der deutlich tierschützerisch ausgerichtet war – beteiligten sich schätzungsweise 200 Personen und keinesfalls die erhofften 1000 TeilnehmerInnen. An diesem beteiligten sich die KritikerInnen selbstverständlich nicht. Vereinzelt wurde (an Ständen) Unverständnis dafür geäußert, dass nicht im Vorfeld alle beteiligten Gruppen angeschrieben worden waren. Doch wäre es nicht die Aufgabe jeder beteiligten Gruppe gewesen, zu schauen, an was für einem Event sie da eigentlich teilnimmt? Dass dort z.B. Helmut F. Kaplan reden würde, wurde auf der Eventwebsite – die manche Leute an den Ständen angeblich gar nicht kannten – schon weit im Voraus angekündigt. An den meisten Infoständen war mensch jedoch überzeugt davon, dass die eigene Beteiligung gut sei, und auch mit Kaplan hatten viele kein Problem.
Nachdem der Soli-Marsch wieder am Versammlungsort angekommen war, wurden weiter Flyer verteilt, insgesamt etwas über 300 Flyer. Es kam beim Verteilen immer wieder zu Diskussionen mit Event-TeilnehmerInnen, wobei überwiegend Unverständnis für die Kritik vorzuliegen schien, denn mensch müsse „gemeinsam für die Tiere“ eintreten. Dabei wurde keinesfalls, wie es im Nachhinein zu hören ist, die ganze Veranstaltung in „Sekten“- bzw. Nazinähe gerückt. Aus der Kritik an Kaplans Verhalten und seiner Bereitschaft, auch mit Leuten „für die Tiere“ zusammenzuarbeiten, die – wie er es nennt – „zu rechts sind“, einen „verallgemeinerte[n] Vorwurf der Nazizusammenarbeit“ (so ein Redner der Veranstaltung in seiner Nachbetrachtung) der ganzen Veranstaltung zu konstruieren, ist doch sehr weit hergeholt. Vielmehr wurde eine „Hauptsache für die Tiere“-Haltung kritisiert. Auf einer nazinahen Veranstaltung wären von den TierbefreiungsaktivistInnen sicherlich keine Flyer verteilt worden!
Ungefähr eine Stunde nachdem die DemonstrantInnen wieder auf dem Veranstaltungsplatz eingetroffen waren, breiteten die TierbefreiungsaktivistInnen seitlich von der Redebühne zwei Transparente aus. Auf dem einen stand eine eindeutige Botschaft gegen jede Form der Tiernutzung, auf dem anderen wurde der Slogan „Animal Liberation, Human Rights – One Struggle, One Fight!“ aufgegriffen. Zudem wurden einige Plakate gehalten, auf denen sich für eine emanzipatorische Tierbefreiungsbewegung ausgesprochen und u.a. gegen „Kaplan, UL, PeTA, Tierschutz“ Stellung bezogen wurde. Mittlerweile waren ca. 10-15 AktivistInnen zusammengekommen, darunter auch ein paar, die zuvor nichts davon gewusst hatten, dass andere KritikerInnen Flyer vorbereitet hatten. Schon im Vorfeld war klar gewesen, dass mensch die Rede von Kaplan nicht ungestört über die Bühne laufen lassen würde, dass die Proteste an diesem Punkt sichtbar verschärft werden würden. Kurz bevor Kaplan reden sollte, wurden die Transparente eingepackt und besprochen, was mensch tun wolle. Es wurde vereinbart, in dem Moment, wo Kaplan die Bühne betritt, diese zu besetzen und diese Störaktion nach Möglichkeit über das RednerInnenmikrophon oder anderswie den anwesenden Event-BesucherInnen zu erläutern, eine Aufgabe, die ein Aktivist übernehmen sollte, der auch an Planungen im Vorfeld beteiligt war. Konsens bestand darin, dass es eine gewaltfreie Aktion sein würde – wobei es, dass muss wohl angesichts dessen, wie auf die Aktion reagiert wurde, klargestellt werden, auch keinerlei Diskussionen darum gab, Gewalt anzuwenden. Es wurde davon ausgegangen, dass mensch von der Bühne fliegen würde, dann sollte aber wenn möglich noch weiter protestiert werden, um dann nach Kaplans Rede die Veranstaltung zu verlassen.
In dem Augenblick als Kaplan die Bühne betrat, rannte ca. die Hälfte der AktivistInnen auf die Bühne, während die Übrigen Flyer verteilten. Auf der Bühne wurden dann verschiedene Plakate hochgehalten, auch solche, die näher auf die Positionen Kaplans eingingen. Es stellte für „den Sprecher“ der TierbefreiungsaktivistInnen auch kein Problem dar, sich hinter das Veranstaltungsmikrophon zu stellen, welches Kaplan entgegen anderer Darstellungen nicht entrissen wurde. Kaplan wurde weder berührt noch zurückgedrängt oder Ähnliches: Um Helmut F. Kaplan wurde sich seitens der AktivistInnen gar nicht gekümmert, d.h. er wurde weder angesprochen, angeschrien, … und schon gar nicht körperlich angegriffen, sondern schlichtweg links liegengelassen. Wie auf Fotos zu sehen ist – die nicht von den TierbefreiungsaktivistInnen gemacht wurden – hat Kaplan die Bühne zu einem sehr frühen Zeitpunkt verlassen.
Leider gelang es nicht über das Mikrophon oder anderswie mehr als wenige Worte über den Anlass, Sinn und Zweck der Aktion zu äußern. Das Mikrophon wurde sofort beschlagnahmt, auch ein eigenes Megaphon wurde von einer Veranstaltungsteilnehmerin – erneut nachdem die ersten paar Worte gefallen waren – nebenbei: nicht gerade gewaltfrei, weggerissen. Während es von Tier-Time hieß, dass bei ihren Veranstaltungen keine gewaltbereiten Personen und Gruppen erwünscht sind – was schon wegen der Präsenz von Gruppen, die sich nicht gegen jede Ausbeutung von Tieren aussprechen, als Lippenbekenntnis angesehen werden muss – wurden AktivistInnen jedoch teils recht heftig von der Bühne runtergeschubst, gestoßen und geschlagen, was diese jedoch nicht davon abhielt, weiter gewaltfrei zu bleiben, keineN körperlich anzugreifen – auch als das Megaphon zurückgeholt wurde. Ein Mitglied der Tierrechtsinitiative Köln (TiK) fiel besonders auf, da er keine Bedenken zeigte, Leute, die er z.T. persönlich kannte, gewaltsam zu attackieren. Auch als die TierbefreiungsaktivistInnen ohne technische Hilfsmittel auf der Bühne standen oder saßen, wurde versucht, allein durch eine laute Stimme die Aktion zu erläutern. Allerdings konnte damit die Stimme der Veranstaltungsleiterin, die zwischenzeitlich über das RednerInnenmikrophon angefangen hatte die Leute vor (sowie ihre UnterstützerInnen auf) der Bühne gegen die TierbefreiungsaktivistInnen aufzustacheln, nicht übertönt werden. Sie fing (sinngemäß) damit an, dass alle jetzt sehen könnten „wie Tierrechtler sind“ – womit sie wohl indirekt und ungewollt die KritikerInnen, die das „Event für Tierrechte“ wegen seiner Ausrichtung nicht als Tierrechtsveranstaltung ansahen, bestätigte. Angeblich, so legte sie gleich los, hätte einer der AktivistInnen erzählt, dass er noch „Fleisch“ essen würde – selbstverständlich waren ausschließlich VeganerInnen an der Aktion beteiligt. Nun fingen einige der TierbefreiungsaktivistInnen an, Parolen zu rufen. Dass damit angefangen wurde „Keine Nazis in unserer Szene!“ zu rufen, war dabei zweifelsfrei ziemlich unglücklich, konnte doch so der Eindruck entstehen, dass Kaplan als Nazi bezeichnet werden würde. Diejenigen, die dies riefen, wollten jedoch – dies erklärten sie, als sie von anderen AktivistInnen darauf angesprochen wurden – damit nicht Kaplan als solchen benennen, sondern sich vielmehr dagegen wenden, dass Nazis die Tür in die Bewegung nicht zugeschlagen oder sie ihnen gar – wie von Kaplan – aufgehalten wird. Schließlich wurden die AktivistInnen – nach schätzungsweise 2-3 Minuten – unter lautem Jubel und Beifallklatschen mit Hilfe der Polizei von der Bühne gedrängt.
Von der Bühne aus ging die Propaganda gegen die AktivistInnen weiter, die sich, so die 1. Vorsitzende von Tier-Time, schämen sollten. Sinngemäß fuhr sie fort: es könne sein, dass Kaplan einen Fehler gemacht habe, dass er ein Interview gegeben hätte welches nicht ok wäre, aber „er hat Tierrechte gemacht wo wir noch in Windeln waren“ – welch ein Argument! Währenddessen hielten die AktivistInnen nun seitlich neben der Bühne weiterhin ihre Schilder hoch und riefen (nun weniger missverständliche) Slogans wie „Hauptsache für die Tiere? – Nicht mit uns!“, „Animal Liberation, Human Rights – One Struggle, One Fight!“, „Schluss mit der Gewalt gegen die Tiere!“ und immer wieder „Keine Bühne für Helmut Kaplan!“ (dem von einigen BesucherInnen der Veranstaltung mit einem „Wir wollen Kaplan!“ entgegnet wurde). Da die AktivistInnen wohl den „Genuss“ der Rede Kaplans zu sehr störten, wurden sie dann von der Polizei noch einige Meter weiter nach hinten gedrängt (dabei verhielt sich diese weitestgehend „korrekt“). Der Staatsgewalt dankt Tier-Time dann in ihrem Event-Bericht auch ganz besonders und selbstverständlich – ein „Hauptsache für die Tiere“ immer mitbedacht – nicht ohne darauf zu verweisen, wie hilfreich eine vegane Ernährung dabei gewesen wäre: „Ein besonderes Dankeschön gilt ebenfalls den Beamten der Polizei, die den bunten und friedlichen Solidaritätsmarsch hunderter Menschen durch die Kölner Innenstadt begleiteten. Wie wir erfuhren, haben auch sie es sich an den vielen veganen Ständen schmecken lassen. Und dass veganes Essen ausreichend Energie liefert, bewiesen sie, als sie einige Radikale daran hinderten, die Veranstaltung für ihre Zwecke zu missbrauchen.“
Als Kaplan dann die Bühne betrat, wurde einem Menschen, der, als AktivistInnen die Bühne besetzten, sich mit diesen solidarisch zeigte – jedoch weder bei den Überlegungen bzgl. des Flyers noch sonstwie an den Protesten der Gruppe beteiligt war – kurzzeitig das Mikrophon überreicht. Dieser wird zumindest von einigen VeranstaltungsteilnehmerInnen fälschlicherweise zu einem Vertreter der Gruppe der KritikerInnen erklärt. Unter einem/einer GruppenvertreterIn ist sicherlich etwas anderes zu verstehen, die Gruppe selbst sollte bestimmen, wer sie vertritt. Die TierbefreiungsaktivistInnen wollten ihre Aktion von der Bühne aus erläutern, was wie geschildert unter dem Einsatz von Gewalt verhindert wurde. Es gab eine unmissverständliche Aussage, nämlich die, Helmut F. Kaplan keine Bühne zu geben. Es ging dabei tatsächlich darum, seinen Auftritt nicht ungestört über die Bühne laufen zu lassen, nicht darum, mit ihm darüber zu diskutieren, warum mensch an seinem Interview mit einem Nazi nicht Gutes finden kann, nicht darum, ihm zu erläutern, warum das UL kein Bündnispartner der Bewegung sein sollte, nicht darum, warum es falsch ist, von „Holocaust an den Tieren“ zu reden, … . Kaplan hat bereits deutlich gezeigt, dass er zu einer selbstkritischen Reflexion nicht bereit ist und daran festhält, u.a. Nazis die Tür zur Tierrechtsbewegung aufzuhalten. Dies wird auch durch seine Verlautbarungen „Nach Köln“ auf seiner Facebook-Seite bestätigt, in denen er z.B. von einer Unterwanderung der Tierrechtsbewegung durch „Linksextremisten“ spricht, aber auch durch Aussagen wie: „Angesichts des Schadens für Tiere, den die linken Meinungsterroristen, Diskussionsverweigerer und Redeverhinderer seit Jahrzehnten verursachen, gebührt den (angeblichen / vermeintlichen) Rechten schon fast ein Tierrechtspreis.“
An dem Tag selbst gab es – so der Eindruck der AktivistInnen – überwiegend Unverständnis, ja Wut für die geäußerte Kritik. Dies bereits zu einem Zeitpunkt, an dem nur Flyer verteilt wurden, es gab Drohungen eines Platzverweises, … . Aber darauf waren die TierbefreiungsaktivistInnen eingestellt, denn es war klar, dass u.a. durch den Auftritt Kaplans nicht wenige Leute dieser Veranstaltung fernbleiben würden und so wohl eher weniger Leute anwesend sein würden, die die Kritik an dem Event teilten. Der Abbruch der Störaktion wurde ebenso frenetisch bejubelt wie die Beschimpfungen der Veranstaltungsleiterin den TierbefreiungsaktivistInnen gegenüber. Den AktivistInnen fielen dabei einige VeranstaltungsteilnehmerInnen besonders auf. So einige Aktive der Ortsgruppe Düsseldorf des Vereins tierbefreier – während u.a. Aktive einer anderen Ortsgruppe des Vereins sich an dem Protest beteiligten. Ein Eventteilnehmer, der zu dem Zeitpunkt noch bei der Gruppe Vegado mitmachte und bereits vor der Störaktion versuchte, Stimmung gegen die AktivistInnen zu machen, drehte richtig auf, nachdem die Bühne betreten wurde. Das ging schließlich soweit, dass er, als die Polizei die AktivistInnen schon weit von der Bühne weggedrängt hatte, sich diesen – um weiter zu provozieren – von hinten nähern wollte, von der Polizei aber davon abgehalten wurde. Einige SchülerInnen von Schüler für Tiere hingegen wurden herangelassen, so dass ihnen die AktivistInnen in aller Ruhe die Situation/Aktion auf der Bühne erklären konnten.
Aber tatsächlich gab es auch – wenn auch deutlich in der Unterzahl – vereinzelt Menschen, die sich mit den TierbefreiungsaktivistInnen solidarisch zeigten, die sich an den „Hauptsache für die Tiere? – Nicht mit uns!“-Rufen beteiligten, die zu ihnen kamen, sich nochmal nach ihren Kritikpunkten erkundigten, die Kritik als berechtigt ansahen und dies dann gegenüber anderen TeilnehmerInnen zum Ausdruck brachten.
Es soll Leute geben, die vermeintlich die „Gegendemonstration“ inhaltlich unterstützen, jedoch nicht die Art des Protests. Was haben sie denn erwartet: dass sich nur auf das Verteilen von Flyern beschränkt wird? Dass jemandem wie Kaplan die Bühne ohne sichtbaren Protest überlassen wird? Es kann nicht darum gehen, Kritik allerhöchstens „intern“ zu äußern, was nicht damit gleichbedeutend ist, Streit zu suchen. Wenn das von der Kritik übrig bleibt, die in Köln geäußert wurde, dann zeugt dies nicht gerade davon, sich inhaltlich mit dieser auseinanderzusetzen. Wer Angst um das Bild der Bewegung hat, fragt sich wohl nicht, welches Bild eine Bewegung hinterlässt, die nach dem Motto „Hauptsache für die Tiere“ verfährt. Eine wirklich starke Bewegung – eine emanzipatorische – wäre eine, die inhaltliche Auseinandersetzungen führt und die konfliktfähig ist. Es wäre eine, die bereit sein muss, ein klares politisches Profil zu haben. Dazu würde eben auch gehören, die Tür zur Bewegung weder sperrangelweit offen stehen zu lassen – manche, wie z.B. Nazis, nicht reinzulassen – noch sie zu verschließen. Und wenn die Tür nicht verschlossen ist, so ist es selbstverständlich auch möglich, durch diese Tür gegebenenfalls/notfalls auch wieder jemanden nach draußen zu setzen.
Tier-Time hatte sich z.B. im Vorfeld seines Events eben nicht um eine klare inhaltliche Ausrichtung gegen Tierausbeutung bemüht, sondern ihre Sorge galt vielmehr – so der Eventaufruf – folgendem: „Kommt fröhlich angezogen und bringt gute Laune mit“. Eine solche „gute Laune“ brachten die TierbefreiungsaktivistInnen sicherlich nicht mit.
Auch wenn Kaplan nicht eingeladen worden wäre, hätte es Gründe genug gegeben, der Veranstaltung fernzubleiben, hätten Leute höchstwahrscheinlich Flyer verteilt. Doch bei aller Kritik, die es auch so gegeben hätte, wären die Proteste nicht soweit gegangen, die Bühne zu besetzen, nicht so weit gegangen, ein unübersehbares Signal dafür zu setzen, dass jemand mit solchen Positionen, wie Kaplan sie vertritt, auf einer Tierrechtsveranstaltung nichts zu suchen hat! Es ging dabei auch um das Ansehen der Tierbefreiungs-/Tierrechtsbewegung, die allzu oft schon mit Zerrbildern zu tun hat, wie denen, dass den dort Aktiven allesamt Menschen scheißegal wären oder – besonders in Deutschland – eine Rechtslastigkeit unterstellt wird. Es sollte auch nicht übersehen werden, dass die TierbefreiungsaktivistInnen nicht aus dem Nichts heraus diese Störaktion durchführten. Kritik an Kaplans Interview und auch an seiner Art der Auseinandersetzung mit dieser ist hier keinesfalls zum ersten Mal geäußert worden.
Es bleibt dabei: Eine emanzipatorische Tierbefreiungsbewegung ist keine, die nach dem Motto „Hauptsache für die Tiere!“ verfährt.